2.3.2. "Wahrheit aus Logik" und "Wahrheit aus Liebe"


Hierher paßt ein Gedanke, der offenbar nur in Nietzsches Notizen auftaucht, nämlich die Unterscheidung zweier unterschiedlicher Wahrheitsgefühle: erstens das herkömmliche, das aus der Logik entspringt, zweitens eines, das in der Liebe wurzelt. "Das Aussprechen der beseligenden Wahrheit aus Liebe: bezieht sich auf Erkenntnisse des Einzelnen, die er nicht mittheilen muß, aber deren überquellende Beseligung ihn zwingt." Der Gedankengang ist hier nur schwer zu entwirren (vermutlich hat Nietzsche ihn deshalb auch nicht weiter verfolgt). Die logische Wahrheit geht vom Mitteilungsbedürfnis aus: Um mittellbar zu sein, muß ein Gedanke eine bestimmte logische Form haben. Woher stammt das Mitteilungsbedürfnis? Anscheinend aus einem nicht näher bestimmten Trieb zur Erkenntnis, der im Philosophen immer schon vorhanden ist. Die Wahrheit aus Liebe ist hingegen geknüpft an einzelne Erkenntnisse (nach denen vielleicht gar nicht gesucht wurde), die nicht mitgeteilt werden müssen (können? sollen?), die aber den Philosophen durch ihre Kraft bezwingen und in einen Zustand der "Beseligung" versetzen. Eine Seite vor und wenige Seiten nach der zitierten Stelle nennt Nietzsche Heraklit, so daß auch aus diesem Grunde eine Beziehung zu "Ueber das Pathos der Wahrheit" naheliegt.